Wie deutsche Medien aus dem Wahlsieg von #Iohannis eine deutsche Erfolgsstory machen
„Ein Siebenbürger Sachse wird Präsident Rumäniens“ (tagesschau.de) ist noch die harmloseste Variante. „Schon Tarzan war ein Deutscher aus Rumänien“, und überhaupt, „Die deutschen Minderheiten brachten Hollywoodstars, Nobelpreisträger und Rocksänger hervor. Eine Erfolgsgeschichte.“, findet Dirk Schümer in der Welt. In diese Heldengeschichte schreibt er Iohannis ein, der auch zum Präsidenten wurde, „weil er für deutsche Tugenden einsteht, mit denen hierzulande kein Wahlkampf zu machen wäre.“ Mehr noch, es war geradezu das Geheimrezept:
„Deutsche Wertarbeit in der Politik? Das war die rührend naive Gegenvision von Johannis zum agilen und europäisch vernetzten Premierminister Victor Ponta, der im Wahlkampf nicht gescheut hatte, neo-nationalistische Tendenzen – etwa im orthodoxen Patriarchat – gegen den deutschen Lutheraner aus Siebenbürgen geltend zu machen.“
Für Schümer ist der Fall eh klar, mit dem Wahlsieg sei die Hoffnung auf eine Merkelisierung Rumäniens verbunden. Und für diese Lesart findet er denn auch gleich erstaunliche biografische Parallelen zwischen Angela Merkel und Iohannis:
„Physik war im erbarmungslosen Ceauşescu-Regime ähnlich wie in der DDR ein relativ politikferner Bereich zum Überwintern; und ähnlich wie Angela Merkel nahm auch Johannis seine Chance nach 1989 wahr, indem er in seiner Heimat Hermannstadt/Sibiu unbestechlich die Strukturen reformierte.“
Wolfgang Scheida (ebenfalls Welt) glaubte wohl, ein treffendes Bild zu wählen, indem er seinen Kommentar eröffnete mit der Bemerkung: „Am Ende war es wie im Fußball: „Der Deutsche“ siegt – auch in Rumänien.“ Noch weltmeisterschaftstrunken („eine Stimmung ausgelöst, als hätte Rumänien am Sonntagabend die Fußball-EM gewonnen“) bremst Scheida dann aber die Deutschphorie aus: „Klaus Johannis ist kein Heiland – nur ein Präsident.“ Gottseidank. Zurück zu den Rumänen: Für sie gibt es auch Lob. Dafür dass sie ihr Kreuzchen an der richtigen Stelle gemacht haben, schreibt Scheida ihnen ein Fleißsternchen ins Schulheft: „Mit ihrer Wahl eines „Deutschen“ zum rumänischen Staatschef bekennen sich die Rumänen zu westlichen Tugenden und Werten – und auch zu Europa.“ So kann aus diesem Problem-EU-Mitglied also doch noch was werden. Für die Bild-Zeitung ist der Fall ebenso klar:„Rumänien will deutscher werden.“ Diese These basiert auf der Feststellung: „Dieser Deutsche regiert jetzt Rumänien“. Zu seinen Gunsten sprechen bei der näheren Personenbeschreibung von H. Kautz und R.Kleine:
„Seine Vorfahren waren im Mittelalter aus dem Deutschen Reich eingewandert. Er spricht Deutsch (mit leicht rollendem Akzent) und Rumänisch.“
Ja, dieser Akzent muss erwähnt werden. Immerhin, Rumänisch wird der Vollständigkeit halber auch genannt.
„Er könnte als Aussiedler bei Umzug nach Deutschland ziemlich unproblematisch Bundesbürger werden. Seine Eltern und seine Schwester leben seit Jahren im Raum Würzburg.“
Mit anderen Worten, er ist so gut wie einer von uns. Und in Rumänien würde man ihn ja auch deshalb „nur ‚Germana‘, den Deutschen“ nennen, weil er Sätze sage wie: „Der Staat ist für die Bürger da, nicht zur Selbstbedienung der Beamten und Politiker.“ Nun könnte man versucht sein, es damit abzutun, dass beide Blätter aus demselben Konzern stammen. Aber auch die FAZ schlägt ähnliche Töne an, wenn auch deutlicher leiser. Der deutsche Lehrmeister für Rumänien, dieses Bild malt Karl-Peter Schwarz, wenn er trotz der rückläufigen Zahl der deutschen Minderheit in Rumänien betont:
„Das deutsche Schulwesen aber hat sich erhalten und genießt ungebrochen den besten Ruf. Klaus Johannis ist von Beruf Gymnasiallehrer.“
Das macht es ja nur noch außerordentlicher. Zwar will Schwarz die Bedeutung sogleich relativieren, „Weit bedeutsamer aber ist, dass Rumänien nun aus der Peripherie weiter in die Mitte Europas rückt.“ Aber ohne den deutschstämmigen Iohannis, so steht es zwischen den Zeilen, wäre den Rumänen das Bekenntnis zum Westen doch gar nicht gelungen. Davon heben sich angenehm ab viele Kommentare von Lesern und Zuschauern. Sie scheinen da sehr viel weiter und differenzierter. Die Besonderheit, dass ein Angehöriger einer Minderheit nun Präsident (auch) der Mehrheitsgesellschaft geworden ist, finden sie grundsätzlich wert, hervorgehoben und berichtet zu werden. Aber es dürfe nicht ausschließlich sein. Viele kritisieren den Kurzschluss, dass das vermeintliche Deutschtum schließlich wahlentscheidend gewesen wäre. Und sie gehen nur vereinzelt so weit, die rumänischen Wähler zu ihrem neuen deutschen (Be-)Lehrmeister zu beglückwünschen, geschweige denn sie gleich zu Patienten abzustempeln, die nur noch am deutschen Wesen genesen könnten. Zielführender als eine deutsche Engführung ist die Beobachtung der (deutschsprachigen) Neuen Zürcher Zeitung, wenn sie den früheren rumänischen Premierminister und Historiker Mihai Razvan Ungureanu zitiert:
„Iohannis ist etwas anderes: Er ist Sachse, reformierter Protestant, er repräsentiert eine europäische Multikulturalität.„
Anstatt den Fokus auf den „deutschen“ Erfolgsfaktor zu richten, sollte man sich den Wahlkampf von Iohannis genauer anschauen. In diesem wurde das Netz als Informations- und Mobilisierunginstrument dermaßen genutzt (aktuell über 1,1 Mio. FB-Likes), dass der siegreiche Iohannis sich auf Facebook bedanken konnte: „Voi ați scris istorie!“ (Ihr habt Geschichte geschrieben!). Zum ersten Mal hätte online den Unterschied gemacht. Die taz zieht den an dieser Stelle passenden Vergleich zum einstigen Wahlsieg Barack Obamas.